Kaum rennt wieder ein Amokläufer durch Deutschlands Straßen und es findet sich ein Computerspiel beim Täter, sind schnell all die B-Politiker zur Stelle, die den Grund allen Übels ausgemacht haben wollen: Die „Killerspiele“ sind schuld! Verbieten!
Die Parole ist einfach. Damit lässt sich Publicity erzeugen. Der Durchschnittsbürger nickt willig mit dem Kopf. Auch das Fernsehen ist gerne mit dabei wenn es darum geht, Computerspiele samt Spieler zu verteufeln. Doch wer sich das Fernsehprogramm, besonders zur Weihnachtszeit anschaut, merkt schnell: Es ist eine scheinheilige Debatte.
Inhalt
Wie blutig ist das Fernsehprogramm?
Montag, 18. Dezember 7.30 Uhr, Morgenmagazin im ZDF: Die Killerspieldebatte nimmt nach dem Amoklauf von Emstetten (22. November 2006) die Berichterstattung ein. Das öffentlich rechtliche Fernsehen spricht über Killerspiele und zeigt wiederholt eine modifizierte Version des Spieles Counterstrike im Beitrag. Schön blutig, damit die Zuschauer auch wissen, was die Kleinen in ihren Zimmer so machen. Dass Counterstrike in dieser Weise von den meisten Spielern in Deutschland so nicht gespielt wird, denn die deutsche Version ist blutfrei, verschweigt der Sender.
Der gleiche Tag, 22.15 Uhr, Spielfilmzeit im ZDF: Sieben Minuten nach dem Start von „Der Schakal“ mit Bruce Willis schießt eine Frau einem recht mies gelauntem Mann mit russischem Akzent während eines Handgemenges in den Hals. Die Glückliche! Denn fast hätte der Unhold der Frau ein Messer in den Kopf gestoßen. Dem Mord im öffentlich Rechtlichen Fernsehen ging ein Wortgefecht voraus: „Fick dich du vernarbte Hurenfotze“, schallt es durch bundesdeutsche Wohnzimmer.
Mmmmmmmmmmmmmm….
Der geneigte Leser mag nun einwerfen, dass um 22:15 Uhr keine Kinder mehr vor dem Fernseher zu sitzen hätten. Schon gar nicht mitten in der Woche. Nun, das kann schon sein.
Aber dem entgegne ich, dass jedes Computerspiel, genau wie Filme, einer Altersbeschränkung unterliegen. Für die deutsche Version von Counterstrike wurde diese auf 16 Jahre festgelegt. Die Originalversion hat keine Jugendfreigabe erhalten und darf somit nicht an Personen unter 18 Jahre abgegeben werden.
Beim „Schakal“ lag die Altersfreigabe aufgrund der Sendezeit ebenfalls bei 16 Jahren. Das Blut strömte hier allerdings in Massen. Das ZDF strahlte diesen nach 22 Uhr aber vor 23 Uhr aus. Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass noch Minderjährige vor der Flimmerkiste sitzen. Erst ab 23 Uhr dürfen auch Filme ohne Jugendfreigabe ausgestrahlt werden.
In der Filmbranche übernimmt die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) die Einstufung der Altersfreigaben. In der Computerspiele Branche ist das die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). Seit 2003 sind die Alterseinstufungen der USK ebenso wie die der FSK rechtlich bindend.
Alljährliches TV-Weihnachtsgemetzel
Doch die Kritik an den Killerspielen kommt nicht nur von Seiten des öffentlich rechtlichen Fernsehens. Auch die privaten Fernsehstationen wie SAT.1 oder RTL mischen bei der Debatte um Killerspiele in ihren Nachrichten und Boulevardmagazinen kräftig mit. Deren Fernsehprogramm zur Weihnachtszeit sollten sich zarte Gemüter allerdings auch nicht antun. Kostprobe gefällig?
So ballerte sich am ersten Weihnachtstag Arnold Schwarzenegger in „Eraser“ um kurz nach 20 Uhr durch RTL. Gerade mal zwei Stunden später hatte Bruce Willis abermals viel zu tun: Diesmal bei SAT.1 in „Stirb Langsam 2“. Auf Pro 7 tötete sich kurz vor 23 Uhr Profikiller Jean Reno als „Léon der Profi“ durch den ausklingenden Weihnachtsabend. Natürlich nicht, ohne dem Zuschauer noch eine grenzwertige Beziehung mit der minderjährigen Natalie Portman zu präsentieren.
Auf RTL2 hatte gegen Mitternacht der Horrorfilm „Gods Army – Die letzte Schlacht“ Hochkonjunktur. Auf Kabel 1 begann der Horrorabend schon um 20:15 Uhr mit „Mary Reilly“ und wem das nicht genügte, der bekam danach noch „Bram Stoker’s Dracula“ auf einem blutigen Silbertablett serviert.
Auf VOX lief eigentlich das, was immer läuft. Morbide Krimiserien wie „Crossing Jordan – Pathologin mit Profil“. Der zweite Weihnachtstag ging ähnlich weiter. „Stirb Langsam – Jetzt erst Recht“.. die Fortsetzung, wie originell. Angesichts eines solchen Weihnachtsprogramms sollte es einem normal denkenden Bürger schwer fallen, den Parolen rechtskonservativer Politik ernsthaft Glauben zu schenken.
Erfunden, erlogen und schlecht recherchiert
Das Problem bei der Sache ist, dass viele „normal denkende“ Bürger leider nicht der „Generation Ego-Shooter“ angehören und dementsprechend wenig darüber wissen. Ihr Wissen entnehmen Sie der allgemeinen Berichterstattung. Aber wie war das noch gleich? Die nimmt es ja mit dem Thema Killerspiele nicht immer so genau. Da werden Beispiele „auf blutig getrimmt“ und auch mal gerne plumpe Unwahrheiten verbreitet.
Nach dem Amoklauf von Erfuhrt im April 2002 ließ sich am 28. April die F.A.Z zu folgender, frei erfundener Geschichte hinreißen:
„Und das Spiel, in dem man vom Polizisten (sogar die GSG 9) über den Passanten bis hin zum Schulmädchen jeden erschießen soll, ehe man selber erschossen wird, liefert einen Handlungscode für den Amoklauf von Erfurt;“
Der Autor des Artikels hat das Spiel mit Sicherheit nie selbst gesehen. Passanten und Schulmädchen in Counterstrike? Glatt gelogen. Nach Massenprotesten der Spieler-Community gegen die FAZ blieb sie dennoch bei ihrer Version.
„Wir sind nicht der Meinung, dass der Artikel Recherchefehler enthält. Dass der Ablauf des Spiels in Details anders sein mag (Besetzung von Gebäuden/Fahrzeuge), ändert ja nichts daran, worum es in diesem Spiel geht. Quelle: Forum CHIP“
Aber auch andere Zeitungen nahmen es mit der Recherche nicht wirklich genau, so schieb das Hamburger Abendblatt:
„Sie besetzen Gelände, nehmen – oder befreien – Geiseln, sprengen Autos in die Luft und schießen, wobei die Wahl der Waffen – Gewehre, Pistole, Revolver – eingegeben werden kann. Am begehrtesten sind Pumpguns, denn die bringen die meisten Punkte – Steinhäuser hatte bei seinem Amoklauf auch eine solche Waffe dabei.“
Bei Counterstrike hat die Wahl der Waffen überhaupt keinen Einfluss auf eine Punktzahl. Es gilt, eine Mission zu erfüllen. Mit welchen Mitteln, ist dabei vollkommen unerheblich. Weiter die Kölnische Rundschau:
„Bei so genannten Ego-Shootern übernimmt der „Spieler“ die Rolle eines Einzelkämpfers, der sich durch feindliche Welten schlagen und alles umbringen muss, was ihm vor die Flinte läuft.“
Ein solches Spielprinzip wäre nach einigen Spielminuten ziemlich ermüdend. Ein Verkaufsschlager ist mit „Mache alles platt was dir vor die Flinte kommt“ nicht zu machen. Auch hier hat der Autor garantiert nie selbst einen Ego-Shooter gespielt.
Zuviel Bequemlichkeit, den wahren Ursachen auf den Grund zu gehen
Ist das nun einfache Unwissenheit, Recherchefaulheit der Redakteure oder gezielte Desinformation? Macht sich hier eine ganze Generation Luft über den Ärger mit einer Nachfolge-Generation, die sie nicht mehr versteht? War es in der Geschichte nicht schon immer so? Waren die Beatles nicht von den Älteren als „Neger-Musik“ verschrien? Sah man nicht in jedem Anhänger von Rock- und Heavy-Metal Musik nicht einen potenziellen Satanisten?
Der Amokläufer von Emstetten hat im Internet seinen Abschiedsbrief hinterlassen. Dem Magazin „Stern“ liegt sogar sein Tagebuch vor. Was Sebastian B. letztendlich zum Amokläufer machte, vermag ich nicht zu erklären, aber eines wird deutlich: Ein „Killerspiel“ war es mit Sicherheit nicht.
Doch zu Abschiedsbrief und Tagebuch hat sich in der Politik bislang niemand geäußert. Warum auch, denn die wahren Hintergründe sind eben nicht so einfach wie die Parole „Computerspiele züchten Killer.“ Die Spuren, die der Amokläufer im Internet in Form von Weblogs und vielen Forenbeiträgen hinterließ, wurden von der Staatsmacht mittlerweile zensiert.
Am 2. Wochenende im neuen Jahr ermordeten zwei Jugendliche ein Ehepaar in Mecklenburg-Vorpommern und nahmen die Tochter des Ehepaars als Geisel. Anderen Ortes wurden am selben Wochenende Molotov-Cocktails auf einen vorbeifahrenden Bus geworfen – vermutlich ebenfalls von Jugendlichen.
Fuer mich stellt sich in diesem Zusammenhang nur eine Frage… wird schon heute – oder erst morgen – in 99% der Medien zu lesen sein, dass die Taeter weiche Drogen konsumierten, Rock Musik hoerten und haeufig Computerspiele spielten?
Dieses weltfremde Politiker-Pack und diese inkompetenten Kollegen die sich Journalisten nennen – ich kann Ihre Meinungen und Kommentare nicht mehr hoeren! Statt zu verstehen – was nicht zuviel verlangt sein kann – das Computer, sowie Internet und gerade auch Computer- und Konsolenspiele aller Art (das schliesst Ballerspiele ein) Teil der KULTUR unserer und weiterer Generationen sind; statt endlich einzusehen, dass Gewaltverbrechen durch IHRE „Kultur“ verursacht werden, durch staatlich sanktionierte soziale Ungerechtigkeit, durch ein mehrklassen Rechts-, Gesundheits- und Sozialsystem – nein… da ist es doch viel einfacher dem durchschnittlichen BILD Leser entgegenzukommen und die Computerspiele zur Ursache solcher Gewalttaten zu erklaeren. Das sich Politiker und Journalisten damit noch weit unter das Niveau ihrer Zielgruppe begeben, scheint dabei niemanden zu stoeren.
Jeder inkompetente Hans Wurst, der mit grosser Not gerade noch den Ein/Aus Schalter eines Computers bedienen kann, fuehlt sich dazu berufen, „seine Meinung“ zu Computerspielen kundzutun.
Frueher war es der Jazz, spaeter der Rock’n Roll, dann der Heavy Metal, irgendwann waren auch nochmal kurz die Blumenkinder auf psychedelischen Pilzen schuld – heute sind es die Spieler… un-er-traeg-lich.
Nachtrag:
Bei dem Gedanken daran, wie der pseudointellektuelle Moderator der oeffentlich rechtlichen ZDF-Sendung „Frontal21“ – mit der feministen Brille des deutschen Fernsehens – sich wohl wieder inkompetent und mit fuerchterlich dilletantisch recherchiertem „Hintergrundwissen“ (Halbwissen ist der zutreffendere Ausdruck) auf dieses Thema stuerzen wird… da stellen sich meine Nackenhaare auf – und fallen mir anschliessend spontan aus.
Quo vadis, Medienkompetenz der deutschen „Journalisten“?
Wie prognostiziert, hat es nicht lange gedauert.
So heisst es beispielsweise bei der Netzeitung – von der man einen etwas differenzierteren Umgang mit dem Thema erwartet haette:
[…]
Gewaltspiele gespielt (Absatzueberschrift)
[…]
Anwohnern zufolge stammt einer der Jugendlichen aus einer unauffälligen Familie in Tessin und galt als nett, höflich und hilfsbereit. Er sei sehr gut in der Schule gewesen und Gewalt immer aus dem Weg gegangen, sagte ein jugendlicher Dorfbewohner.
Allerdings habe er auch Gewaltspiele gespielt.
[…]
Bild-Zeitungs Niveau. „Allerdings habe er auch Gewaltspiele gespielt.“ – Quellenangabe „Anwohner“… ob diese Anwohner in den Kinderzimmern der Taeter ein und aus gegangen sind? Oder hat da doch eher der eine lausig arbeitende Journalist bei seinem noch viel lausiger arbeitenden Kollegen abgeschrieben?
Hallo!
Könnte ich diesen Text in einem Forum veröffentlichen? Natürlich mit “von Dennis Knake”, aber leider sind in dem Forum keine externen Links erlaubt.
Wäre schön wenn ich dein Ok kriegen würde.
Mit freundlichen Grüßen
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