Gravenreuth-Urteil: Jubel, Trubel, Heiterkeit

Grüne WelleSelten hat sich die Internet-Community so über ein Gerichtsurteil gefreut wie jetzt: Günter Freiherr von Gravenreuth, geborener Dörr, in der Szene als „Abmahnanwalt“ zu zweifelhaften Ruhm gekommen, muss für sechs Monate wegen Betruges in den Bau – ohne Bewährung.

In zahlreichen Internetforen bejubelten die Leser die Meldung zum Urteil gegen den Münchner Anwalt. Bekannt wurde der „Abmahnanwalt“ Anfang der 90er Jahre durch die so genannten „Tanja“-Briefe. Ein Testbesteller antwortete als „Tanja“ auf Kleinanzeigen in Computerzeitschriften, deren Inserenten auf der Suche nach Software-Tauschpartnern waren.* Wer auf den Trick hereinfiel und auf „Tanja“ reagierte, bekam einen Abmahnung wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht ins Haus.

Da er immer wieder auch gegen private Webseitenbetreiber wegen der Benutzung allgemeiner Begriffe wie „Explorer“ oder „Webspace“ im Auftrag seiner Mandanten die sich im Namensrecht sahen, vorging, brachte ihm das in der Online-Szene schnell den Ruf eines „Serien-Abmahners“ ein. Mit den fingierten „Tanja-Briefen“ wurden die „Opfer“ auf ganz besonders perfide Art hereingelegt. Hier ein Auszug:

Ich habe Deine Adresse in der Bit-Markt gelesen , mir gedacht schreib mal,vieleicht koennen wir ja Programme tauschen oder einfach untereinander ausleihen und dann kopieren. Da ich soetwas per Post noch nie gemacht habe,muesstest Du es mir in deinem ersten Brief erklaeren,damit ich Dir auch von mir Programme zuschicken kann. Quelle: fastix.de und rotglut.org

Vor allem beim IT-Infodienst heise.de, das selbst schon mit „Günni“, wie ihn die Szene liebevoll nennt, in Konflikt geraten ist, schlugen gestern nach Bekanntgabe des Urteils die Wellen hoch. Das war vor allem daran zu erkennen, dass die Benutzer ihre Forenbeiträge, egal wie belanglos die Kommentare jedes Einzelnen waren, mit „Doppel-Positiv“ im Bewertungssysteme des Forums kennzeichneten. Die Folge: Alle Beiträge auf grün, die Stimmung ausgelassen fröhlich. Selbst sonst Rot-Bewertungen provozierende Aussagen wie „Windows ist besser als Linux“ konnte die Leser nicht aus der Ruhe bringen.

„Allgemeinheit vor Gravenreuth schützen“

Die Zähne ausgebissen hat sich v. Gravenreuth an der Tageszeitung “taz”, die er im Mai vergangenen Jahres wegen einer Email zu einer Anmeldung eines Online-Newsletters, die er selbst nie getätigt haben will, abgemahnt hatte. Die “taz” wurde damals zu einer Zahlung einer Kostennote in Höhe von 663,71 Euro verdonnert, die diese am 30. Juni 2006 beglich. Gravenreuth bestritt jedoch, jemals eine Zahlung erhalten zu haben, pfändete die Domainadresse der taz und plante laut angaben der Süddeutschen Zeitung die Versteigerung von www.taz.de.*

Nur eine einstweilige Verfügung der taz konnte dies verhindern. Zudem stellten die Anwälte der Zeitung Anzeige wegen versuchten Betruges. Bei einer Durchsuchung fand sich dann ein Fax der taz bei Gravenreuth, dass die Überweisung bestätigte. Gravenreuth muss also von dem Zahlungseingang Kenntnis gehabt haben.

Die Richterin vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten ließ v. Gravenreuts Entschuldigung über das “Chaos” in seinem Büro und mangelnder Rechtskenntnis, so heise.de, nicht gelten und verurteilte den Anwalt nun zu einer sechsmonatigen Haftstrafe. Erschwerend kam dabei wohl hinzu, dass v. Gravenreuth bereits vor sieben Jahren wegen Urkundenfälschung in 60 Fällen verurteilt wurde. Laut taz betonte die Richterin bei der Urteilsbegründung, dass die Allgemeinheit vor Gravenreuth geschützt werden müssen. Noch kann er das Urteil jedoch anfechten und Berufung einlegen. Aber geht man von den Reaktionen im Internet aus, scheint fest zu stehen “Im Namen Des Volkes” ist diesesmal direkt “fühlbar” geworden.

* Die beiden kursiv markierten Abschnitte wurden Im Dezember 2007 von RA Gravenreuth abgemahnt. Es kam im Februar zu einer Güteverhandlung vor dem Amtsgericht München. Der erste markierte Satz wurde vom Autor danach entsprechend angepasst. Im zweiten Abschnitt fand das Amtsgericht keine ausreichenden Gründe zur Beanstandung. Dieser ist daher weiter unverändert. 

Surftipp:
Freiheitsstrafe für Abmahnanwalt
taz.de

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