Kennen Sie „Eliza“? Eliza hört zu, stellt Fragen, gibt Ratschläge. Eliza ist aber keine Frau. Sie ist nicht mal ein Mensch. Sie ist ein Computerprogramm. Sie ist DAS Computerprogram. Ein Programm, das dem Anwender über einen gewissen Zeitraum künstliche Intelligenz vorgaukelt, aber in Wahrheit überhaupt nicht intelligent ist. Eliza ist das Produkt von Prof. Dr. Joseph Weizenbaum, Professor am M.I.T. ,Informatiker, Gesellschaftskritiker.
Für mich der „Albert Einstein“ des Computerzeitalters. Er war Genie, Tüftler und Entwickler aber zugleich ein großer Kritiker der Informationstechnologie. Berühmt wurde er 1972 in Deutschland mit einem Artikel in der Zeit: „Albtraum Computer„. Am 5. März 2008 ist Joseph Weizenbaum im Alter vom 85 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Vor 13 Jahren hatte ich die Gelegenheit, ihn bei einer Talkrunde auf der CeBIT Home persönlich kennen zu lernen…
Freitag, 30. August 1996, kurz nach dem Mittagessen: Das World Wide Web befindet sich im Vorschulalter und man erntet noch ein echtes „Wow“, kann man eine E-Mail Adresse bereits sein Eigen nennen. Das war längst nicht selbstverständlich, Internetzugänge sind teuer und erst im Frühjahr strich T-Online die Gebühr von 10 Pfennig pro verschickter Mail. Doch die Zeichen der Zeit sind eindeutig: Das Internet ist auf dem Vormarsch seinen Weg als Massenmedium zu finden. Damit einher geht auch die Euphorie über den Anbruch des „goldenen“ Informationszeitalters.
Auf der Sonderaustellung „Chancen 2000 interaktiv“ im Rahmen des früh gescheiterten CeBIT Experiments „CeBIT Home“ steht um 14 Uhr eine Talkrunde zum Thema „Information at your fingertips – verloren im Datendschungel?“ an. Geladen sind neben Prof. Dr. Joseph Weizenbaum auch die Politikerin Christa Sager, damals Sprecherin des Bundesvorstands der Grünen sowie der Pressesprecher des damaligen Pay-TV Senders „DF1“, später „Premiere“, Dr. Johannes Schmitz.
Ich kann mich noch gut daran erinnern: Joseph Weizenbaum war ein echter Publikumsmagnet. Wo er erschien, füllte sich der Saal. Vor dem Podium versammelten sich stehend und sitzend dutzende CeBIT Besucher. Die Hütte war voll. Das war auch ein paar Jahre später so, als ich Weizenbaum ein weiteres Mal bei einem Gastauftritt in der Universität Oldenburg begegnete.
Einfach war die Talkrunde damals nicht. Irgendwie wollten die Gäste nicht so ganz zueinander finden. Während Johannes Schmitz vom grandiosen Erfolg des digitalen Fernsehens träumte, sprach Joseph Weizenbaum lieber zum eigentlichen Thema, dem Internet. Schon damals war es für ihn eher ein grandioser „Misthaufen“ in dem sich aber bei genauem hinsehen aber so manche Perle finden lässt. Nur geraten wir dabei in die Gefahr von der Datenflut schier erschlagen zu werden und den Blick auf das Wesentliche zu verlieren. Wohlgemerkt: Schon 1996 war das so. Was Frau Sager an diesem Tag zu sagen hatte, an das kann ich mich – sie möge mir verzeihen -, heute nicht mehr erinnern.
Eigentlich war das aneinander Vorbeireden von Johannes Schmitz und Joseph Weizenbaum symptomatisch für die ganze Misere. Gerade erst pries Schmitz die unendliche Sendervielfalt des Digitalen Fernsehen an, ohne aber auf die dort angebotenen Inhalte – meist aufgewärmte Kinokamellen – einzugehen, da erinnerte Weizenbaum daran, dass nicht alles, was machbar ist, auch gemacht werden sollte.
Die Zeit sollte Weizenbaum Recht geben. Wir werden erschlagen von neuen Technologien und technischen Möglichkeiten. Pay-TV, IP-TV, Web 2.0, ecetera pe pe…. ist ja alles schön und gut, aber was nutzt uns das, wenn der transportierte Inhalt weiterhin größtenteils aus billig produziertem Unterhaltungsschrott besteht? Es ist nicht leicht, die Perlen zu finden, aber es gibt sie.
Weizenbaum hatte eben schon längst – und nicht erst 1996 – erkannt, dass so mancher Hype am Ende eben doch nur ein Hype bleibt. Das läßt sich auf viele Bereiche in der heutigen Zeit übertragen. So manches erwies sich am Ende als Flop. Meist dann, wenn versucht wurde, mit einem durchaus erfolgreichen Konzept Geld zu vedienen. Vielleicht fehlt auch die Erkenntnis, dass sich nicht mit allem, was gut ist, auch Geld verdienen läßt. Und nicht alles, was Geld kostet, auch gut ist.
So schrieb er nach der Veranstaltung seinen Satz auf die Tafel, auf der alle Teilnehmer ihre Wünsche für die Zukunft unterbringen sollten: „Na ja, alles wird dann doch nicht gelingen! Gottseidank!“