Wer ist Dr. Mounir Herzallah?

Das zweite Massaker von Kana hat dem israelischen Image weltweit großen Schaden zugefügt. Kurz darauf wimmelt es in den Medien von Erklärungsversuchen und Theorien und warum Israel gar nicht Schuld sein könne. Die Hisbollah lagere Waffen grundsätzlich bei Zivilisten, manche behaupten gar, die sie habe das Massaker selbst inszeniert und nachträglich Kinderleichen in die Trümmer gelegt. Als Beleg für die Rücksichtslosigkeit der Hisbollah dient den Verteidigern des Krieges ein Leserbrief an den Berliner Tagesspiegel und das Nachrichtemagazin Der Spiegel aus Hamburg. Aber wer ist dieser Verfasser und ist seine Geschichte überhaupt wahr?

Am 30. Juli tauchte der Leserbrief eines Dr. Mounir Herzallah in der Onlineausgabe des Berliner Tagesspiegel auf. Herzallah beschreibt darin, wie die Hisbollah auf Waffenlagern Schulen und Wohnhäuser baue, und ein „lokaler Scheich“ ihm lachend erkläre, dass die Israelis so nur verlieren könnten.

Ich wohnte bis 2002 in einem kleinen Dorf im Süden nahe Mardschajun, das mehrheitlich von Schiiten wie mir bewohnt ist. Nach Israels Verlassen des Libanon dauerte es nicht lange, bis die Hisbollah bei uns und in allen anderen Ortschaften das Sagen hatte. Als erfolgreiche Widerstandskämpfer begrüßt, erschienen sie waffenstarrend und legten auch bei uns Raketenlager in Bunkern an. Die Sozialarbeit der Partei Gottes bestand darin, auf diesen Bunkern eine Schule und ein Wohnhaus zu bauen! Ein lokaler Scheich erklärte mir lachend, dass die Juden in jedem Fall verlieren, entweder weil die Raketen auf sie geschossen werden oder weil sie, wenn sie die Lager angriffen, von der Weltöffentlichkeit verurteilt werden ob der dann zivilen Toten. Die libanesische Bevölkerung interessiert diese Leute überhaupt nicht, sie benutzen sie als Schilder und wenn tot als Propaganda. Solange sie dort existieren, wird es keine Ruhe und Frieden geben.

Dr. Mounir Herzallah,
Berlin-Wedding

Dieser Leserbrief war für die Unterstützer der israelischen Angriffe eine Steilvorlage. Wie ein Entlastungsbeweis für das Blutbat in Kana machte der Leserbrief eine rasante Karriere im Internet und wurde fortan immer wieder zitiert und auch in andere Sprachen übersetzt.

Schon am gleichen Tag erscheint dieser Leserbrief in einer englischen Fassung auf der kanadischen Webseite „Judeoscope.ca“ , einem französisch/englischsprachigen Informationsportal um „…Licht in Anti-Semitismus, Anti-Zionismus, Xenophobie und militanten Islam in Kanada und der Welt zu bringen“.

Dr. Herzallah war fleißig: Am Montag, 31. Juli erscheint in der SPIEGEL Ausgabe 31/2006 eben dieser Leserbrief ein weiteres Mal.

Leserbrief im SPIEGEL

Fortan wird er auf unzähligen Weblogs als Beweis für die Niederträchtigkeit der Hisbollah verlinkt – so auch auf der Webseite „Achse des Guten“, an der unter anderem auch Krawall-Journalist und Spiegel-Autor Henryk M. Broder „selber Schuld, wenn Sie mir schreiben…“ beteiligt ist.

Wer aber garantiert, dass die Geschichte, die Dr. Mounir Herzallah erzählt, stimmt? Wer garantiert, dass es Dr. Mounir Herzallah überhaupt gibt?

SPIEGEL bestätigt Authentizität

Meine Nachfrage beim SPIEGEL ergab, dass Verfasser der Redaktion bekannt sei. Auch wisse man, dass eben dieser Leserbrief bereits kurz zuvor beim Tagesspiegel erschienen ist.

Aber was heißt das genau? Für die Vöffentlichung eines Leserbriefes verlangt DER SPIEGEL die Angabe der Postanschrift, sowie eine Telefonnummer für eventuelle Rückfragen. Das alles mag Herzallah angegeben haben.

Wer allerdings bereits Leserbriefe verfasst hat, wird wissen, dass der Name nicht von den Redaktionen genauer überprüft wird, sofern eine vollständige Anschrift angegeben wurde. Auch nicht, ob eine in einem Leserbrief erzählte Geschichte der Wahheit entspricht.

Dr. Mounir Herzallah – Ein Phantom?

Macht man sich auf die Suche nach Dr. Mounir Herzallah, so steht man ziemlich schnell mit leeren Händen da. Unter www.telefonbuch.de findet sich kein Eintrag für den Namen „Herzallah“ oder „Mounir“ in Berlin. Ebenso unter www.dasoertliche.de.

Auch die Suche in einer KlickTel Datenbank vom Frühjahr 2005 spuckt deutschlandweit nur vier Personen mit dem Namen „Herzallah“ aus. Abbemajid, Martin und zweimal Nicole. Niemand davon wohnt in Berlin. Von einem Dr. Mounir keine Spur. Auch Suche nach dem Namen „Mounir“ bringt kein Ergebnis. Sechs Mal taucht dieser als Nachname in der Datenbank auf. Darunter zwar ein Facharzt, aber der Vorname beginnt mit A und dieser Doktor wohnt in Frankfurt am Main. In der aktuellen KlickTel Version Herbst 2006 gibt es nur noch dreimal „Herzallah“ in Deutschland. Der Doppeleintrag der „Nicole“ wurde entfernt. Dr. Herzallah bleibt weiterhin verschollen.

Eine google-Suche führt ebenfalls nicht weiter. Fast 600 Einträge erscheinen bereits, meist sind es aber nur der immer und immer wieder wiederholte Leserbrief auf unzähligen Webseiten und Weblogs. Auch eine Suche in diversen Newsgroups bringt kein Ergebnis.

Einen Munir Herzallah scheint es dann doch zu geben. Leider ohne „o“ und damit wohl nicht der gesuchte Kandidat. Dieser Herzallah wohnt in Jordaniens Hauptstadt Amman und arbeitet am dortigen „Institute of Management Consultants of Jordan (IMC)“.

Handelt es sich um einen Alias-Namen?

Will der Verfasser eines Leserbriefes zum eigenen Schutz nicht genannt werden, so steht unter einem solchen Leserbrief meist nur: „Der Verfasser ist der Redaktion bekannt“. Daher gibt es keinen Grund anzunehmen, dass der Name nachträglich geändert wurde. Wäre dies so, hätten SPIEGEL und TAGESSPIEGEL dies auch gekennzeichnet und sicherlich nicht zufällig den gleichen Namen gewählt. Das war aber nicht der Fall.

Ob die Geschichte nun wahr sein mag oder nicht. Ob es Dr. Herzallah nun gibt oder nicht. Nachprüfbar ist seine Geschichte vom lachenden Scheich und der Schule über dem Waffenlager nicht. Als Beweis nützt sie wenig und gerade Journalisten sollten sich zweimal überlegen, ob sie eine so unsichere Quelle dem Leser für bare Münze präsentieren.

Warum aber stürzen sich die Weblogs der Kriegsbefürworter nur so auf diesen Brief und präsentieren ihn ihren Lesern als ultimativen Beweis gegen die Hisbollah? Es kann nur eine Antwort geben. Andere Belege, das Massaker von Qana zu entschuldigen sind Mangelware.

Es ist kein Geheimnis, dass die Hisbollah sich zwischen zivilen Einrichtungen bewegt. Etwas anderes bleibt ihr gegen die Übermacht Iraels auch gar nicht übrig. Es zeugt von Naivität, der Hisbollah in gespielter Empörung „Feigheit“ vorzuwerfen. Man kann nicht im ernst erwarten, dass sich Hisbollah-Kämpfer auf freiem Feld mit wehender Flagge deutlich zu erkennen geben, damit die israelische Luftwaffe nur auf einen Knopf drücken muss.

Israel nimmt nicht weniger billigend zivile Opfer in Kauf, indem es ein ganzes Land aus der Luft wochenlang mit einem Bombenteppich überzieht und nur zögerlich Bodentruppen entsendet. Abgeworfene Flugblätter, die vor bevorstehenden Angriffen warnen sollen, dienen einer Alibi-Funktion. Was nützt es den Zivilisten am Boden eine Warnung zu erhalten, wenn sie auf der anschließenden Flucht beschossen werden? Ist es denn moralischer, aus der Luft kleine Ziele zu beschießen, die zwar Hisbollah Kämpfer sein könnten, es aber in den meisten Fällen bislang nicht waren? Die Grenze zwischen Gut und Böse ist längst verschwommen.

Trotz dauerbombardement und über 600 Toten im Libanon zeigt die Hisbollah kaum Anzeichen von Schwäche und Antwortet auf Israels Angriffe weiter mit Raketenbeschuß. Es ist Zeit für einen Waffenstillstand.

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Ein Kommentar

  1. Hallo aus Leipzig! Sogar ich (lebe nur seit paar Jahren in Deutschland) weis, dass die persönlichen Angaben für das Telefonbuch nur freiwillig sind. Also der Herr Herzallah MUSS NICHT im Telefonbuch oder Internet zu finden sein. Und das wissen Sie doch auch! Ich habe meine Daten auch für das Telefonbuch nicht freigegeben. Bin ich ein Phantom? Also, Fleiß erkennbar, trotzdem „5“. Tendenziös, propagandistisch, Fakten verschwiegen.
    Ansonst mal hier reinschauen
    http://eureferendum.blogspot.com/2006/08/corruption-of-media.html
    http://michellemalkin.com/archives/005700.htm
    Gruß
    Tommy

    Hallo nach Leipzig,

    Nun, Propaganda ist für mich etwas anderes. Der Artikel stellt lediglich fest, dass die Geschichte des Dr. Mounir Herzallah wahr sein kann … oder aber auch nicht. Dennoch wird sie auf unzähligen (sicherlich tendenziösen) Webseiten als Beleg präsentiert. Und darum geht es mir: Zu zeigen, dass dieser Leserbrief als Beleg nicht herangezogen werden kann. Schon gar nicht ungeprüft. Sie schreiben von verschwiegenen Fakten. Wenn Sie weitere Informationen zu Dr. Herzallah vorliegen haben, freue ich mich über eine Mail! Gerne ergänze ich dann diesen Artikel.

    Gruß
    Dennis

    PS: Zu den von Ihnen vorgeschlagenen Surftipps: Michelle Malkin hat für FOX News Channel gearbeitet. FOX News ist ja für seine ’neutrale‘ und ‚ausgewogene‘ Berichterstattung weltberühmt. ;-) Sozusagen das „Al Manar TV“ Amerikas.

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